Als Flüchtling zwischen den Welten

30. September 2014

Um Jugendlichen dafür gewissermaßen die Augen zu öffnen und ihnen die beunruhigende Entwicklung der Flüchtlingsproblematik ans Herz zu legen, kam es jetzt im Kulturkino in Vogelsang zu einem Vortrag, der unter die Haut ging: Das ehemalige Flüchtlingskind und Deutsch-Afrikanerin Khadra Sufi, sowie Dietmar Kappe, der im Bereich Flüchtlinge großes Engagement beweist, erzählten von ihren persönlichen Erfahrungen mit diesem Problem.

Die Veranstaltung fand ihren Ursprung in Anlehnung an den „Tag des Flüchtlings“ und konnte im Rahmen des Schülerprojektes der Akademie Vogelsang ip und des Literaturfestivals „Lit.Eifel“ stattfinden. Auch die neunte Jahrgangsstufe des MGM war vor Ort und ließ die Thematik auf sich wirken.

Nachdem um halb zehn Schüler aus dem gesamten Umkreis mit zahlreichen Bussen im Kulturkino eintrafen, eröffnete Albert Moritz, Geschäftsführer der Vogelsang ip und Moderator der Veranstaltung, den Vormittag.

Er begann einen Abschnitt aus Khadra Sufis Buch „Das Mädchen, das nicht weinen durfte“ vorzulesen, was für einen emotionalen Start in die folgenden zwei Stunden sorgte. Dann kam Dietmar Kappe zu Wort und berichtete von seinem Mitwirken in der UNHCR, einer Organisation, die schon seit 64 Jahren besteht und Flüchtlinge in vielerlei Hinsicht unterstützt.

Es wurde ein kurzer Film gezeigt, der die Flüchtlingsproblematik auf der Welt – anschaulich und einen ersten Eindruck gebend –präsentierte. Alle Augen richteten sich gefesselt auf die große Leinwand des Kulturkinos. Stille und Staunen machten sich im Raum breit, während schockierende und zum Nachdenken anregende Bilder über die Leinwand flimmerten. Die Schüler standen der bestürzenden Realität unmittelbar gegenüber. Jedoch befasste sich der Film auch ausdrücklich mit der bewundernswerten Hilfe der UNHCR.

Mitarbeiter der Organisation sind von Anfang an vor Ort und unterstützen die hilfsbedürftigen Menschen, wo sie können. Die Flüchtlinge werden motiviert, den Kindern wird eine schulische Bildung angeboten, es besteht Hilfe bei der Integration in das jeweilige Gastland und letztlich auch Hilfe bei der Rückkehr.

Die Eskalation eines Konfliktes stellt auch erfahrene Hilfskräfte auf die Probe, die sie im Team versuchen zu meistern. „Das Problem wird immer größer und komplexer“, erklärt Kappe. In diesem Jahre werden in Deutschland insgesamt 200 000 Flüchtlinge erwartet, während der Stand 2007/08 noch bei ungefähr 30 000 lag. Die Fakten, die Kappe präsentierte, faszinierten auch die Schüler des MGM. „Seinen Vortrag fand ich sehr gut. Vor allem, als er über seine Zeit im Flüchtlingslager erzählt hat“, erläutert Jonas Call (9a) beeindruckt, ergänzte jedoch kritisch, dass er mit mehr Erzählungen Sufis gerechnet habe.

Den Schülern wurde bewusst, dass durch den Krieg und die ständige Ungewissheit viele Menschen mit einem schweren Trauma aus den Krisengebieten herauskommen. „Onkel X und Cousin Y sind erschossen worden – und das ist Alltag!“, wirft Khadra Sufi ein.

Dann folgte eine Reportage, die das Publikum durch eine Reise von Dietmar Kappe führte. Der Schwerpunkt lag dabei auf Syrien. Das Land, das als „größte Herausforderung der UNHCR“ charakterisiert wird. Zehn Millionen Menschen sind dort auf der Flucht, von denen einige Schutz in den Nachbarländern suchen. Jordaniens Hauptstadt Amman ist beispielsweise ein Ort, der den Flüchtlingen Sicherheit bietet. Dort wohnen sie in heruntergekommenen Häusern, oder eher „Löchern“, wie Kappe erklärt, und hoffen endlich wieder zurück in ihre Heimat gehen zu können. Sie fühlen sich unwohl und wertlos. An den Stadträndern sind zudem Zeltlager, die den Heimatvertriebenen Unterschlupf bieten.

Zaatari ist eines der größten Flüchtlingslager weltweit und befindet sich im Norden Jordaniens, inmitten der glühenden Steinwüste. Durch die Hitze herrschen kraftraubende Bedingungen für die Flüchtlinge. Trotzdem geben sie nicht auf und meistern gemeinsam schwierige und zunächst aussichtslose Situationen.

Anschließend berichtete Khadra Sufi von ihrer eigenen Lebensgeschichte: Sie wurde 1980 in Somalia geboren und lebte zunächst als Diplomatentochter in Berlin. Im Alter von acht Jahren reiste sie mit ihren Eltern zurück nach Somalia und konnte ein gutes Leben führen. Eines Nachts saß sie im Schlafzimmer ihrer Eltern und hörte ungewöhnlich laute Geräusche. Sie fragte ihren Vater, was da vor sich ging und erhielt als Antwort: „Die feiern draußen Silvester.“ Erst am nächsten Morgen verstand sie, dass er gelogen hatte und begriff den Ernst der Lage. „Du bist plötzlich mitten im Krieg“, erzählte Sufi betroffen. Es wurde immer gefährlicher und eine Flucht konnte nicht mehr umgangen werden. Über Umwege gelangten sie schließlich nach Ägypten. „Der Krieg macht dich nackt“, erklärte sie weiter.

Täglich habe die Familie um ihr Leben kämpfen und sich vor der Gewalt retten müssen. Letztlich landeten sie arm und hilflos in einem Asylantenheim in Bonn. „Du bist Flüchtling. Du stehst zwischen den Welten“, schilderte Sufi. Dennoch fühlte sie sich wohl in Deutschland und genoss die Ordnung des Landes.

Daher beschloss sie zu bleiben, obwohl ihre Familie nach London weiterzog, als sie 16 Jahre alt war. „Das Ticket in mein neues Leben war der Schlüssel zu einer Garage“, fährt sie fort. In der Garage eines Bekannten hatte sie dann drei Jahre lang gelebt und bewies Kampfgeist. „Ich bin einfach immer weiter gegangen“, sagte sie, und deutet mit diesen Worten auf den steinigen Weg des Flüchtlingskindes zur TV-Moderatorin hin. Auch heute ist sie noch ein überzeugter Vertreter der Annahme, dass jeder Mensch seine Möglichkeiten wahrnehmen und Chancen nutzen muss, um im Leben weiterzukommen. Diese Einstellung fand auch bei den Schülern des MGM große Anerkennung. „Khadra ist eine tolle und starke Frau mit so einer berührenden Geschichte“, äußerte sich Eva Meyer (9c) begeistert.

In Bezug auf die abschließenden Publikumsfragen wurde klar, dass jeder Mensch Flüchtlingen helfen und aus den Fängen der Aussichtslosigkeit befreien kann. „Es geht nicht immer um das Materielle“, erläuterte Sufi entschlossen.

Und bevor alle Schüler um zwölf Uhr wieder ihre eigenen Wege gingen, wurde ihnen eine zum Grübeln anregende Botschaft und Mission mit auf den Weg gegeben: „Wenn es ein Thema gibt, das Euch bewegt, dann beschäftigt Euch auch damit!“, so Albert Moritz.

(Eifeler Zeitung, 30.09.2014)




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